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Die Farce um Julian Assange

Als Julian Assange hereingeführt wird, grüßt er mich mit der erhobenen linken Faust. Ich grüße zurück (…) Sein Verteidiger Fitzgerald beantragt, dass Assange aus dem Glaskäfig gelassen wird, er sei „ein sanfter Mann von intellektueller Natur, und es gibt keinen Grund, warum er nicht während der Anhörung bei uns sitzen und mit uns kommunizieren sollte“. Selbst der US-Ankläger hat nichts dagegen, trotzdem weist die Richterin den Antrag ab. Die Beobachter sind fassungslos. Selbst Beate Zschäpe durfte ihrem Prozess zusammen mit ihren Anwälten folgen, selbst Kriegsverbrecher aus den Jugoslawienkriegen in Den Haag. Wenn in Europa Kriegsverbrecher besser behandelt werden als einer, der Kriegsverbrechen aufgedeckt hat, dann ist das ein Albtraum. Im weiteren Verlauf gelingt es den Anwälten, alle Punkte der Anklage zu entkräften. Doch bei mir will sich kein Optimismus einstellen. Juristische Argumente scheinen hier zweitrangig zu sein. Am letzten Abend der Verhandlung treffe ich Assanges Anwältin Jennifer Robinson, die ich seit 2011 kenne. Sie bestätigt mir, dass beide Seiten bereit sind, durch alle Instanzen der britischen Gerichtsbarkeit zu gehen – was drei bis vier Jahre dauern kann. Wird Julian Assange das unter den jetzigen Haftbedingungen überleben können? Seine Verteidiger haben klargemacht, dass die psychiatrischen Gutachten von einem Suizidrisiko ausgehen, solle er an die USA ausgeliefert werden. Was bleibt uns, um sein Leben und unsere Pressefreiheit zu retten? Proteste reichen nicht mehr – Assange braucht jetzt die Hilfe aller, die 2010 von seinen Enthüllungen profitiert haben: New York Times, Guardian, El Pais, Le Monde und Spiegel müssen fordern, ihn sofort freizulassen – es bedarf einer großen konzertierten Aktion der mächtigsten Zeitungen der Welt. Denn es geht auch um ihre Freiheit. Free Press! Free Assange!


Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/im-herzen-der-justizfarce

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